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Guinea Westafrika 2007 - Besuch vom 06.02 - 20.02.2007
Meine 2. Reise nach Guinea verlief zu meiner eigenen Überraschung
im Gegensatz zu 2006 völlig verschieden und die Entwicklung war
vorher nicht absehbar, sonst wäre ich zu diesem Zeitpunkt nicht
gereist.
Das westafrikanische Land Guinea ist in Deutschland weitgehend unbekannt
und wird oft mit Neu - Guinea verwechselt, das zu Indonesien gehört.
Eine Berichterstattung über Guinea findet in der deutschen Presse
und im Fernsehen so gut wie nicht statt. Der Grund kann darin liegen,
dass Guinea eine französische Kolonie war und zwischen Deutschland
und Guinea nur geringe bilaterale Beziehungen bestanden.
Guinea wurde bereits 1958 von Frankreich unabhängig und der
erste Präsident war Sekou Touré, dessen sozialistisches Regime viel
Unheil über das Land brachte und zum wirtschaftlichen Niedergang
dieses an Wasser und Bodenschätzen sehr reichen Landes führte.
Seit einem unblutigen Militärputsch im Jahre 1984 wird das
Land von einer Militärjunta unter dem Präsidenten Lansana Conté
regiert und es ist seit vielen Jahren der Stagnation und des weiteren
Niedergangs der Wirtschaft keine Verbesserung der wirtschaftlichen
Lage der Bevölkerung in Sicht.
Bei dem Besuch meines afrikanischen Freundes und Meistertrommler
Tonton Soriba Sylla wollte ich den Baufortschritt unseres gemeinsamen
Projektes "Schulbau einer Grundschule in Conakry" besichtigen und
an einem Trommelworkshop teilnehmen.
Bereits im Januar hatten die Gewerkschaften einen Generalstreik
ausgerufen, um den amtierenden Präsidenten zu Reformen oder
zum Amtsverzicht zu zwingen. Das deutsche auswärtige Amt gab auf
seiner Internetseite einen Reise - Warnhinweis aus, keine Reisen
nach Guinea zu unternehmen.
Der Generalstreik wurde Anfang Februar von den Gewerkschaften ausgesetzt,
da der amtierende Präsident Lansana Conté versprochen hatte, einen
neuen konsensfähigen Ministerpräsidenten zu benennen und seine Macht
zu teilen. Der Reise - Warnhinweis der deutschen Bundesregierung
wurde aufgehoben. Daraufhin reiste ich und bei meiner Ankunft war
alles ruhig und friedlich.
Am Freitag den 09.02.2007 ernannte Präsident Lansana Conté den bisherigen
Präsidialminister Eugene Camara zum neuen Ministerpräsidenten, der
ein Mitglied der herrschenden Clique ist und zum engsten Machtzirkel
Contés gehört und in alle Korruptionsaffären mit verwickelt sein
soll.
Der neue Ministerpräsident entsprach weder den Vorstellungen der
Gewerkschaften noch denen des Volkes. Präsident Lansana Conté hatte
sein Versprechen nicht eingelöst seine Macht mit einem unabhängigen
Politiker zu teilen.
Dies führte am Wochenende 10. / 11.03. zu einem spontanen erneuten
Generalstreik der Bevölkerung und zu schweren Unruhen, die am
Montagmorgen eskalierten. Große Menschenmengen versammelten
sich auf den Hauptstraßen und formierten sich zu einem friedlichen
Protestzug Richtung Innenstadt.
Kurz danach begann das Militär die Demonstration gewaltsam aufzulösen
und es kam zu schweren Ausschreitungen. Rund um uns ballerten die
Schnellfeuergewehrsalven und Menschen rannten in panischer Angst
vor dem Militär davon und auch durch die kleine Straße direkt vor
unserem Grundstück. Die Schüsse fielen in unmittelbarer Nähe unserer
Unterkunft und direkt davor. Wir gingen innerhalb des Grundstücks
in Deckung und konnten das Grundstück nicht verlassen.
In Blickrichtung der Hauptstraße und des nahen Verkehrkreisels standen
dicke Rauchschwaden von brennenden Reifen oder brennenden PKW.
Dieses Chaos dauerte ca. 2 Stunden, danach wurde es wieder etwas
ruhiger, aber es fielen weiter ständig Schüsse, manchmal weiter
entfernt und manchmal in unmittelbarer Nähe. Gegen Abend mit einbrechender
Dunkelheit nahmen die Schüsse wieder zu.
Augenzeugenberichte sprachen von mehreren Toten in unmittelbarer
Nähe und von einem angeschossenen Kind.
Am Dienstag wurde der militärische Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre
von morgens 6:00 - 16:00 und von 20:00 - 6:00 über das Land verhängt,
wir waren zur Untätigkeit verurteilt und mir drängte sich die Frage
auf, wie ich wieder heil aus diesem Land heraus kommen sollte.
Am Abend sahen wir, dass die Air France Maschine einschwebte, die
Einflugschneise verläuft direkt über Tontons Grundstück und unsere
Stimmung besserte sich etwas. Dies bedeutete, dass wenigstens der
Flughafen offen sein musste.
Ich versuchte am Mittwochvormittag mehrfach erfolglos telefonisch
die deutsche Botschaft in Conakry zu erreichen und war darüber ziemlich
frustriert. Über telefonische Kontakte mit Deutschland ließ ich
meinen Flug umbuchen und erhielt die telefonische Bestätigung aus
Deutschland, dass ich für den Donnerstagflug eine Reservierung bekommen
hatte.
Tonton organisierte 2 bewaffnete Militärs als Begleitschutz und
wir verließen um ca. 17:00 das Grundstück, um zum Flughafen zu fahren,
da man 6 Stunden vor dem planmäßigen Abflug um 23:30 anwesend sein
sollte. Zu unserer Überraschung stand die Maschine schon auf dem
Flugfeld, war bereits abgefertigt. Trotz der bestätigten Reservierung,
konnte ich nicht mehr einsteigen, ich war zu spät. Die Maschine
startete bereits gegen 18:00 Uhr.
Die Flugzeiten waren wegen der Ausgangssperre geändert worden, Reservierungen
zählten ebenfalls nicht mehr, es wurde nur noch in der Reihenfolge
der Ankunft der Fluggäste abgefertigt.
Vor Ort erhielt ich die Versicherung, am nächsten Tag würde eine
Maschine der Air France einfliegen und ich könnte ausreisen, wenn
ich vor 12:00 am Flughafen eintreffen würde. Wir fuhren zurück und
kauften auf dem Schwarzmarkt 5 Liter Sprit in 5 einzelnen Literflaschen,
denn der Sprit wurde langsam knapp und die Tankstellen waren geschlossen
oder zerstört, wie wir auf unserer Fahrt vom und zum Flughafen feststellen
mussten.
Nach einer weiteren unfreiwilligen Nacht in Conakry fuhren wir am
nächsten Morgen erneut, diesmal schon um 11:30 zum Flughafen und
ich war der 5. in der Warteschlange. Um 16:00 saß ich im Flugzeug
und die Maschine hob bereits gegen 17:00 ab in Richtung Frankreich.
Meine Erleichterung in diesem Flugzeug zu sitzen zu dürfen, kann
sich jeder vorstellen.
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